Jahrestagung Arbeitskreis für Kritische Unternehmens- und Industriegeschichte e.V. (AKKU) 2022

Datum: 
02.11.22 to 03.11.22
Konferenztitel: 
31. AKKU-Jahrestagung: Die vergessenen Akteure? Migrant*innen in der deutschen Unternehmensgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
Konferenzbeschreibung: 

Veranstalter*innen: Stina Barrenscheen, Nele Falldorf, PD Dr. Ingo Köhler

Veranstaltungsort: Hessisches Wirtschaftsarchiv, Darmstadt 

 

Programm

Mittwoch, 02. November 2022

12:30-13:00 get-together
13:00-13:30 Einführende Worte (Stina Barrenscheen, Nele Falldorf und Ingo Köhler)

13:30-15:00 Panel I: Immigrant Entrepreneurship

Massimiliano Livi (Trier):
Migrantische Entrepreneurship in Deutschland und Italien seit den 1970er Jahren. Ein Projekt und ein Case Study

Margrit Schulte Beerbühl (Düsseldorf):
Im Schatten der Männer: Lebens- und Arbeitswelten italienischer Eismacherfrauen

Maria Knyazeva (Osnabrück):
Russischsprachige Printmedien in Deutschland als Teil des migrantischen Unternehmertums, Be-schäftigungs- und Finanzierungsmodelle

15:30-17:30 AKKU-Jahresmitgliederversammlung

18:00-19:30 Podiumsdiskussion: Familienunternehmen – mit Geschichte in die Gegenwart

Einführende Worte
(Robert Restani, Vorsitzender des Vorstands des Hessischen Wirtschaftsarchiv e.V.)

Auf dem Podium: Christina Lubinski (Copenhagen Business School), Felix Heusler (Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG, Dillenburg), Carsten Knop (Mitherausgeber der FAZ)
Moderation: Ingo Köhler (Geschäftsführer Hessisches Wirtschaftsarchiv)

Ab 19:30 Empfang und Rundgang durch die Ausstellung „Archiviert! 30 Jahre Hessisches Wirtschaftsarchiv“


Donnerstag, 03. November 2022

09:00-09:30 get-together

09:30-10.30 Panel II: Migrantische Agency im Unternehmen

Christoph Lorke (Münster):
Migrantisches Agieren zwischen Unternehmen und Stadtverwaltung. Handlungsmacht und Aneig-nungen am Beispiel der Stadt Gütersloh (ca. 1970er-1990er)

Mario Riederer (München):
Miteinander und gegeneinander – der Betriebsrat und Migrant:innen bei BMW in München

10:30-10.45 Kaffeepause

10:45-11:30 Vortrag AKKU-Nachwuchspreisträger:in

11:30 – 13:00 Panel III: Unternehmen, Migration und Wissen

Jan Logemann (Göttingen):
Migrant Knowledge – Potentiale und Probleme: Wissenstransfers durch Migration in Unternehmen im 20. Jahrhundert

Nele Falldorf (Göttingen):
Neustart? Arbeitsmarktintegration chilenischer Geflüchteter in den 1970er Jahren

Kübra Gökse (Berlin):
Unternehmen als vielfältige Räume für türkeistämmige Migrantinnen

13:00-13:30 Schlussworte / Diskussion

 

 

 

 

„Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft mit unvollständigem Gedächtnis.“ (Alexopoulou 2016)   

Migrant*innen (und ihre Nachkommen) gestalteten deutsche Unternehmen und Arbeitswelten zunehmend ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit eigener Handlungsmacht und in unterschiedlichsten Funktionen aktiv mit. Zwar hat die Unternehmensgeschichte seit den 1990er Jahren durch Projekte zur „Zwangsmigration“ und der „Gastarbeit“ wichtige Beiträge zur Migrationsforschung geleistet, dennoch sind diese Verbindungen weiterhin nur schwach geknüpft und es ist weiterhin zu beobachten, dass die „[…] Migrationsgeschichte und die Un-ternehmensgeschichte zwei getrennte Communities sind, die nicht miteinander sprechen“.  (Berghoff/Fahrmeir 2013) 

Ziel der Tagung ist es, neue Brücken zwischen den Forschungsfeldern zu bauen – ein Vorha-ben für das es viele spannende Zugänge gibt. Die Rolle von Migrant*innen in Unternehmen weist eine hohe Diversität auf, die in der bisherigen Forschung nur unzureichend erforscht wurde. Dies betrifft nicht nur berufliche Mobilitätschancen und -möglichkeiten oder institutionelle Rahmenbedingungen der Arbeitsintegration: Auch die unterschiedlichen Migrationstypen (z. B. Binnenmigration, Migration aus religiösen, familiären oder wirtschaftlichen Gründen bis hin zur Flucht und Remigration) wurden bislang nur wenig thematisiert und auf ihre Folgen hinsichtlich Beschäftigung, Integration und Sozialstatus untersucht. Folglich soll die Tagung die bisherige thematische und methodische Auseinandersetzung mit Migration in der Unternehmensgeschichte hinterfragen und zu einem interdisziplinären Austausch anregen. Hierbei soll der Fokus zwar auf Deutschland seit der Hochphase der Industrialisierung mit einem Schwerpunkt auf dem 20. Jahrhundert liegen; ebenso sind uns vergleichende inter- und transnationale Perspektiven in diesem zeitlichen Rahmen herzlich willkommen. 

Traditionell stehen systematisch gesteuerte Migrationsprozesse aus einer paternalistischen Perspektive im Fokus unternehmenshistorischer Arbeiten, in der migrantische Akteure eine marginale, meist passive Rolle spielen. Daher setzt sich die Tagung zum Ziel die historische Rolle von Migrant*innen auch als handelende Akteure mit eigener Agency in Unternehmen zu reflektieren, um sie in das historische Narrativ der deutschen Unternehmensgeschichte einzu-betten. Der dauerhafte wechselseitige Austausch zwischen der Unternehmensgeschichte und der historischen Migrationsforschung soll befördert werden, um die Anwendungsmöglichkei-ten des jeweiligen methodischen Instrumentenkastens besser kennenzulernen und auf diese Weise neue Themenfelder für alle Disziplinen zu erschließen. 

Neben der thematischen Zielsetzung ist ebenso der interdisziplinäre Austausch von großem Interesse:

  1. Welche Rolle spielt Migration in aktuellen unternehmenshistorischen Forschungen? Was wissen wir über die unterschiedlichen Rollen von Migrant*innen in Unternehmen? Welche aktuellen Forschungsprojekte sind an der Schnittstelle zwischen Unterneh-mens- und Migrationsgeschichte zu finden?
  2. Wie kann die Unternehmensgeschichte an die sozialhistorische Migrationsforschung und weitere (Teil-)Disziplinen anschließen und mit ihr, sowie mit weiteren angrenzen-den (Teil-)Disziplinen, in Dialog treten? Welche methodischen Impulse könnten dem jeweils anderen Fach neue Perspektiven erschließen? 

Wir suchen nach Beiträgen, die sich exemplarisch in den folgenden Feldern bewegen:

  • Migrantisches Unternehmertum: Mit wenigen Ausnahmen betrachtet die Unter-nehmensgeschichte Migrant*innen vor allem als Arbeitnehmer*innen. Jedoch münden migrantische Erwerbsformen nicht selten in der Selbstständigkeit bzw. in unternehmerischen Tätigkeiten. Aufgrund dessen soll die Rolle von migrantischem Unternehmertum beleuchtet werden: Welche Ressourcen standen zur Verfügung? Welchen Einfluss hatten ethnisch-religiöse oder geschlechterspezifische Netzwerke bei der Gründung von Unternehmen? Welche Hindernisse galt es zu überwinden? Wie entwickelten sich die Unternehmen hinsichtlich ihrer Arbeiterschaft, Einbindung und Partizipation in Verbänden und Netzwerke, Absatzmärkten oder Zielgruppen von Dienstleistungen?
  • Unternehmen als soziokulturelle Interaktionsfelder: Wie gestalteten und wandelten sich betriebliche Arbeits- und Lebenswelten für Migrant*innen? Inwiefern entwi-ckelten Unternehmen Integrationsstrategien und -maßnahmen für die migrantische Teilhabe? Welche migrantischen Aushandlungsprozesse, Handlungsspielräume und Projektionsflächen bot das Unternehmen? 
  • Rolle von Gewerkschaften, Kirchen und eigenen Interessenvertretungen: Welche Strategien der Interessensvertretung gab es seitens der Migrant*innen und durch welche Akteure wurden sie unterstützt? Welche Rolle nahmen unterschiedliche Inte-ressenvertretungen (Kirche, Gewerkschaft, Verein, Verbände) in der strukturellen Integration von Migrant*innen ein? 
  • Vergessene Akteure – Migrant*innen jenseits der „Gastarbeit“: In der bisheri-gen Forschung stehen insbesondere gezielt angeworbene Migrant*innen im Rahmen der offiziellen Anwerbeabkommen (1955-1973) im Mittelpunkt. Weniger berücksichtigt wurden bisher Migrant*innen, die nicht im Rahmen der Anwerbeabkommen migrierten. Um der Diversität der unterschiedlichen Einwanderungsformen gerecht zu werden, soll der Blick auch auf anderen Herkunftsregionen, Mobilitätsformen (z.B. politische und religiöse Migration) und Einwanderungskanälen liegen, die und deren Bedeutung im übergeordneten Wandel der Arbeitswelt im Vordergrund stehen.
  • Bildungsbiografien: Qualifiziert für deutsche Unternehmen? Welche Rolle spielen die Bildungsabschlüsse der Migrant*innen und deren Anerkennung bei der Integration in Unternehmen? Wie liefen Anerkennungsverfahren ab? Inwiefern konnte an Karrieren vor der Einwanderung in der Aufnahmegesellschaft angeknüpft werden? Inwiefern sind berufliche Mobilitäten „nach oben“ und „nach unten“ zu identifizieren? 

Dieser Call for Papers richtet sich an Forscher*innen, die laufende oder abgeschlossene Forschungsprojekte zu diesen oder angrenzenden Themenfeldern präsentieren wollen. Im Sinne der Interdisziplinarität freuen wir uns über Beiträge aus der Geschichtswissenschaft, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie, Ethnologie oder den Politikwissenschaften. Die Tagung ist für Teilnehmer*innen aller Qualifikationsstufen offen, auch für Doktorand*innen in der Frühphase ihrer Forschungsarbeiten.

Bitte schicken Sie Ihre Vorschläge mit einem kurzen Exposé des geplanten, 20-minütigen Vortrags (eine Seite), einem kurzen Lebenslauf und Angaben zu Ihren wichtigsten Veröffentlichungen bis zum 31.05.2022 an: nele.falldorf@uni-goettingen.de

Möglichkeit der Einreichung verlängert bis 30. Juni 2022!!